1. Brief an einen Abgeordneten im Bundestag

In meiner Betroffenheit über die UN Warnung vom Samstag zur unvorstellbar grauenhaften, humanitären Situation im Gaza schrieb ich gestern eilig an den Bundestagsabgeordneten und Sprecher für für Menschenrechte und humanitäre Hilfe Boris Mijatovic.

In meiner Eile vergaß ich einen wichtigen Teil:

P.S.:

Hallo Herr Mijatovic

In der betroffenen Eile gestern geschrieben, fehlte natürlich ein wichtiger Teil in meiner Bitte:

Natürlich gehört eine besondere Fürsorge für Israel und Menschen der jüdischen Kultur und Religion zu unserer Staatsräson, da diese insbesondere in unserem Land eine unvorstellbare Verletzung/Vernichtung aller Menschenrechte erfahren haben.

Genau aus diesem Grund halte ich eine klare Position inkl. Sanktionen und Waffenstopps gegen die aktuelle, politische Führung in Israel für essentiell.

Sie ist auch eine klare Position FÜR den Schutz der Menschen in Israel und der jüdischen Gemeinschaft weltweit.

Diese sehe ich in der brutalen Eskalationsschleife und Völkermord Nähe seitens der aktuellen, israelischen Politführung langfristig stark gefährdet.

Wir können aus meiner Sicht also durchaus klarer eine Position gegen diese Art von Führung in Israel beziehen (die Evidence spricht für sich) UND zugleich dabei den Schutz Israels sehr deutlich intendieren, weil es authentisch ist.

Ich kann verstehen, dass das Thema sehr sensibel in der DE Diskussion ist.

Auch ich bin müde davon, stets betonen zu müssen, dass ich mit meiner Kritik an der politischen Führung Israels nicht automatisch sofort zum „Anti-Semiten“ und „Israel Hasser“ werde. Ich glaube zugleich auch, über den Punkt sind wir längst hinaus und die Differenzierung fällt mittlerweile leichter.

Die Fakten sprechen für sich. Täglich nimmt das unvorstellbare Leiden in Gaza und anderen Ländern der Region zu.

Wir brauchen jetzt Mut und keine Zögerlichkeit im Einsatz für die Menschen und Menschenrechte in der Region.

Herzliche Grüße aus Kassel

André Boeing


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Kommentare

Eine Antwort zu „1. Brief an einen Abgeordneten im Bundestag“

  1. Avatar von aboeing

    Hier poste ich mit Erlaubnis von MdB Boris seine Antwort vom 15.11

    Sehr geehrter Herr Boeing,

    vielen Dank für Ihre sehr offene und ehrliche Zuschrift, die ich in ihren tiefen Reflexionen sehr zu schätzen weiß. Wir alle stehen in diesen Tagen vor einer Reihe schwieriger Entscheidungen und oft auch schlechter Optionen. Die Ereignisse in Israel und im Gaza-Streifen haben auf beiden Seiten des Konflikts traumatische Dimensionen und werden eine Zäsur im politischen Nahen Osten darstellen. Auch wir Grüne sitzen hier zweifellos in einem Spannungsverhältnis zwischen historischer Verantwortung und Völkerrecht.

    Einerseits stehen wir angesichts des menschenverachtenden Angriffs der Terrororganisation Hamas vom 7. Oktober solidarisch und entschlossen an der Seite Israels und seiner Menschen. Seit dem Holocaust sind noch nie so viele Israelis an einem Tag getötet worden wie jetzt. Es befinden sich momentan mehr als 150.000 Binnenflüchtlinge in Israel. Das Land hat ein Recht auf Selbstverteidigung im Rahmen der Vorgaben, die das Völkerrecht für solche Ausnahmesituationen vorsieht. Deshalb ist Kritik an der Kriegsführung auch möglich und nötig, was übrigens auch in Israel selbst vehement debattiert wird.

    Gleichzeitig ist für uns Deutsche das Existenzrecht Israels durch nichts zu relativieren. Israel kämpft gegen einen Feind, die Hamas, die nicht nur dieses Existenzrecht anzweifelt und gezielt unschuldige Zivilisten massakriert, sondern die auch unschuldige Zivilbevölkerung in Gaza auf perfide Weise als Schutzschilde und Faustpfand nutzt.

    Gleichzeitig steht die Grüne Bundestagsfraktion fest zu Menschenrechten, zum humanitären Völkerrecht und den darin festgeschriebenen humanitären Prinzipien. Danach sind die Zivilbevölkerung und zivile Infrastruktur, v.a. Krankenhäuser oder Schulen, unter allen Umständen zu schützen.

    Das gilt auch für die israelische Seite. Viel zu viele unschuldige Menschen sind beim Gegenschlag Israels im Gaza-Streifen gestorben oder schwer verwundet worden. Gleichsam verstoßen der Angriff auf unschuldige Zivilisten in Israel sowie der Missbrauch von Zivilisten als Schutzschilde im Gaza-Streifen durch die Hamas und die Nutzung ziviler oder medizinischer Einrichtungen als militärische Infrastruktur ebenfalls gegen alle Regeln des humanitären Völkerrechts.

    Humanitäre Hilfe hat das alleinige Ziel, Leben zu retten und Leiden zu mindern und richtet sich unterschiedslos an Opfer von Konflikten, Katastrophen und Gewalt. Sie muss neutral, unparteilich und unabhängig sein, d.h. von diesen Prinzipien geleitet und frei von politischen Interessen und jeglicher Instrumentalisierung. Diese universellen Werte gelten natürlich auch in diesem Konflikt für Zivilisten auf beiden Seiten.

    Die humanitäre Lage der in Gaza leidenden und festsitzenden Zivilbevölkerung wird während der kriegerischen Auseinandersetzung jeden Tag katastrophaler. Für uns steht außer Frage, dass alle Anstrengungen unternommen werden müssen, damit die Menschen vor Ort schnellstmöglich sicheren Zugang zu dringend notwendiger humanitärer Hilfe – Lebensmittel, Wasser, medizinische Versorgung – erhalten.

    Die Bundesregierung setzt sich daher gemeinsam mit internationalen Partnern mit Nachdruck für einen humanitären Zugang nach Gaza ein und steht selbst bereit, Hilfe zu leisten. Gleichzeitig haben wir humanitäre Waffenruhen gefordert in der Hoffnung, dass sie letztendlich auf einen verhandelten Waffenstillstand und langfristig in eine politische Lösung münden.

    Wir Grüne sind diejenigen, die im Bundestag am lautesten und hartnäckigsten eine Zwei-Staaten-Lösung als Ergebnis eines internationalen Friedensprozesses fordern. Wir haben diese Sprache auch in den Anträgen zum Nahost-Konflikt im Bundestag eingebracht.

    Gleichzeitig hat die Bundesregierung durch hartes Verhandeln eine Resolution in der UN-Generalversammlung deutlich stärker auf den Schutz zivilen Leben ausrichten können, obwohl sie den Terror der Hamas nicht erwähnt. Unsere Enthaltung (und nicht Gegenstimme) zu der Resolution hat uns in Deutschland manche Kritik eingebracht, nicht jedoch so sehr in Israel selbst.

    Wenn Sie meine Pressestatements in den vergangenen Monaten verfolgt haben, werden Sie feststellen, dass wir mit scharfen Worten die Politik der rechtsgerichteten Regierung unter Benjamin Netanjahu kritisiert haben. Sie hat das Land innenpolitisch zerrissen und außenpolitisch vor große Herausforderungen gestellt.

    Neben nationalistischen und religiösen Kräften sind in ihr auch rassistische und rechtsextreme sowie u.a. wegen Korruption und Terrorismus vorbestrafte Politiker vertreten. Nach innen polarisiert diese Regierung die israelische Gesellschaft, da Kräfte in ihr die Arbeit von NGOs vor allem zu Menschenrechten einschränken wollen und sich massiv gegen LGBTQ- und Frauenrechte ausgesprochen haben.

    Arabische Israelis sehen ihre Staatsbürgerrechte in Gefahr. Mit den getroffenen Personalbesetzungen und Gesetzesvorhaben zur Straflosigkeit von Korruption und des Aussetzens von Urteilen des Obersten Gerichtshofs durch das Parlament wird die Gewaltenteilung und die Unabhängigkeit der Justiz in Frage gestellt.

    Zudem laufen einseitige Maßnahmen wie eine Annexion von besetzten Gebieten, der fortschreitende völkerrechtswidrige Siedlungsbau oder die illegale Enteignung von Wohnungen in Ost-Jerusalem sowie im Westjordanland dem Ziel einer friedlichen und politischen Lösung des Konflikts mit den Palästinenser*innen entgegen. Sie rücken die Aussicht einer Zwei-Staaten-Lösung in weite Ferne und destabilisieren die Region. Die Ereignisse der vergangenen Wochen haben nun die Notwendigkeit dieser Zwei-Staaten-Lösung nochmals stärker in den Vordergrund gerückt und die Kritik an der israelischen Siedlungspolitik wachsen lassen, auch in den USA. Dem schließen wir uns nachdrücklich an.

    Eine Auswahl meiner Pressestatements zu der humanitären Lage in Gaza finden Sie hier:

    Der Schutz von UN-Organisationen muss gewährt bleiben, 14.10.2024 https://www.gruene-bundestag.de/presse/pressemitteilungen/der-schutz-von-un-organisationen-muss-gewaehrt-bleiben
    UNRWA unerlässlich für humanitäre Hilfe in Gaza, 24.04.2024 https://www.gruene-bundestag.de/presse/pressemitteilungen/unrwa-unerlaesslich-fuer-humanitaere-hilfe-in-gaza
    Forderung nach einer unverzüglichen humanitären Feuerpause und Freilassung aller Geiseln, 22.03.2024 https://www.gruene-bundestag.de/presse/pressemitteilungen/gaza-forderung-nach-einer-unverzueglichen-humanitaeren-feuerpause-und-freilassung-aller-geiseln
    Vorfälle in Gaza müssen aufgeklärt werden, 01.03.2024 https://www.gruene-bundestag.de/presse/pressemitteilungen/die-vorfaelle-in-gaza-muessen-aufgeklaert-werden
    Humanitäre Lage in Gaza nach dem Terrorangriff der Hamas, 21.10.2023 https://www.gruene-bundestag.de/presse/pressemitteilungen/humanitaere-lage-in-gaza-nach-dem-terrorangriff-der-hamas

    Der HNA habe ich im Frühjahr ein Interview gegeben, weshalb ich einen Haftbefehl des internationalen Strafgerichtshofs gegen den israelischen Premierminister richtig finde: https://www.hna.de/kassel/israel-hat-die-warnungen-offensichtlich-ignoriert-93083290.html#id-Comments

    Im Frühjahr 2024 bin ich im Rahmen einer Einzeldienstreise nach Israel und die Palästinensischen Gebiete gereist, um mir selbst ein Bild von der Lage vor Ort zu machen und mit einer Vielzahl an Akteuren vor Ort ins Gespräch zu kommen. Eine Verbesserung der humanitären Versorgung habe ich auch in Gesprächen mit dem israelischen Außenministerium und Abgeordneten in der Knesset thematisiert.

    Bitte seien Sie versichert, dass ich mich weiterhin für einen Waffenstillstand, die Freilassung aller Geiseln und einer maßgeblichen Verbesserung der humanitären Lage in der Region einsetze und dazu regelmäßig mit humanitären Hilfsorganisationen von der UN sowie von Nichtregierungsorganisationen und Menschenrechtsorganisationen im Austausch stehe.

    Mit freundlichen Grüßen

    Boris Mijatovic

    Boris Mijatovic

    Mitglied des Deutschen Bundestages

    Sprecher für Menschenrechtspolitik und humanitäre Hilfe Fraktion

    Bündnis90/Die Grünen

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