Armut und Reichtum

Statistisch gehöre ich seit Januar zu den „Armen“ in Deutschland.

Die „Scharmut“ regt sich, als ich darüber nachdenke, ob ich das überhaupt auf Social Media offen posten soll. Scharmut – das Scharmgefühl der Armut, ist meine Beobachtung dabei und ich lasse es eine Weile interessiert wirken, lausche den Stimmen einer „Erfolgskultur“, in der Reichtum ein Ideal ist und Armut ein gewollt oder ungewolltes „Versagen“. Reichtum ohne eine spezifische Voranstellung also, wie z.B. materieller oder monetärer Reichtum.

Statistisch Arm bedeutet in meinem Fall 1000€ Einnahmen seit dem 01. Januar aus einer privaten Projektspende. Wir haben jetzt Ende Februar. Es bedeutet auch: Keine Rücklagen, kein Dispo, kein Zugang zu schnellen Krediten, kein „Polster“ und Nichts von großem Wert, das sich verkaufen ließe. Warum fühle ich mich dennoch insgesamt „reich“ und kann mit Charme und Mut, Charmmut über die Armut inklusive Scharmut reden ?

Als Sozialkapitalist habe ich andere Werte, die in mir das Gefühl von Reichtum auslösen. Es sind keine Werte, hinter die sich ein € packen lässt.

Ich bin glücklich und dankbar, mit Leidenschaft, Passion und Engagement Vollzeit mit Kind meine gemeinnützige Bildungsarbeit weiter machen zu können, auch wenn sie seit Anfang des Jahres für eine unbestimmte Weile nicht „v€rgütet“ ist, woran ich ebenfalls arbeite.

Ich bin sehr froh darüber, das Backen und Kochen aus wenigen Grundzutaten wieder zum gesund schmackhaften Tagesritual gehört. Mehl, Hülsenfrüchte, Couscous, Öl, ein riesiger Kohl und meine Gewürzsammlung. Daraus konnte ich in den letzten 1,5 Monaten vielfältige Gerichte zaubern. Auffällig war dabei, wie sich meine Abfallproduktion, der Müll dabei drastisch reduziert hat.

Anders als in den Monaten, in denen ich gut verdiente und die Nahrungszubereitung an Lieferessen outsourcte und meinen Einkauf Online bei Flink tätigte. Zwar „gute“ Produkte, aber convenient zuverpackt. Ich war halt so „busy efolgreich“ in meinem sozialen Müllvermeidungsprojekt, da blieb scheinbar keine Zeit für’s Backen und Kochen, aber genug für viel Müll produzieren. Schon paradox, oder ?

Von den 1000€ konnte ich im ersten Monat auch Miete, Strom, Wärme zahlen, knapp 70% meiner Einnahmen. Jetzt im zweiten Monat half mir die gute Beziehung zu meinem Senioren Vermieter, der mir den Druck nahm, entspannt Aufschub gab, meine soziale Arbeit wertschätzt und dass ich weiter mache, obwohl aktuell ein Förderloch besteht. Er hat sogar eine kleine Spende in die Projekt Förderplattform gegeben. Offene, transparente, freundliche Beziehungen sind ebenfalls ein großes, reich gefülltes Sozialkapital.

Vom Reichtum der Armut sollte mein großspuriger Essay eigentlich im Titel lauten.

Doch mit einem schnellen Post werde ich dem großen Thema Armut nicht differenziert gerecht. Ich kann nur mit einer Erkenntnis enden: „Armut ist nicht zwangsläufig so arm, wie sie statistisch genannt wird – Die Sicht auf andere Werte von Reichtum ist essentiell und hilfreich.


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